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© 2010 Kirsten E. Lehmann

 


B E L L E T R I S T I K

 

Mona Yahia

 

A Borrowed Tongue

 

Original erschienen in: Art&Thought,

No. 91, Goethe Institut, Sommer 2009

 

 

Eine geborgte Sprache

In einer Kölner Straßenbahn erlebte ich einmal eine Gruppe junger Mädchen, die sich auf den hinteren Plätzen lümmelte und lautstark auf Türkisch unterhielt. Die Runde wurde von Minute zu Minute lauter, brach in wildes Gelächter aus, und bald zogen die Teenager Schreib- und Lippenstifte aus ihren Taschen und bewarfen einander damit. An diesem Punkt intervenierte eine Dame mittleren Alters, die zwei Reihen entfernt von ihnen saß, und erteilte der wilden Schar eine Lektion - auf Türkisch - über Manieren, wie ich annahm. Zwar zeigten die Mädchen keineswegs Scham, doch sie protestierten auch nicht, sammelten ihre Wurfobjekte wieder ein und verhielten sich zunächst leiser. Doch schon bald schwoll der Geräuschpegel der Hinterbankparty von Neuem an - diesmal auf Deutsch; damit entzog sich die fröhliche Schar der türkischen Frau und ihrer Autorität.

Mein Vater war ebenfalls zweisprachig und pflegte sich mit Leichtigkeit zwischen Englisch und Arabisch zu bewegen. In gewisser weise war er ein linguistisches Phänomen - mit Englisch als erster Sprache, die jedoch nicht seine Muttersprache war. Das irakische Bildungsministerium hatte ihn in den 1920er-Jahren - als eine Art Vorreiter - nach Oxford geschickt, damit er dort die englische Sprache akzentfrei sprechen lernen und anschließend als Englischlehrer zurückkehren sollte. Er war damals 14 Jahre alt. Und er erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen. Nach vier Jahren Internatsleben in Oxford beherrschte er die englische Sprache wie ein Muttersprachler. Als "Pilotprojekt" aber scheiterte er, denn er vergaß darüber das Arabische - ein Nebeneffekt, mit dem niemand gerechnet hatte. Zwar erlernte er es in Nullkommanichts wieder, sprach jedoch von nun an Arabisch mit einem leichten fremden Akzent - was seine Herkunft infrage stellte.

(...)

Vollständiger Text als pdf

                                                                                                                                               (Übersetzung © Kirsten E. Lehmann)

 

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